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Zwischen den Zeilen: Barbara Naziri

 

Bookspot: Seit wann schreiben Sie und was hat Sie zum Schreiben gebracht?

Barbara Naziri: Ich bin Doppelstaatsbürgerin und komme aus einer multikulturellen Familie. Meine Wurzeln reichen von Haifa über den Iran und die Krim bis nach Dänemark, woher mein Großvater stammt. Darum nenne ich mich eine jüdische Pflanze in persischer Erde, die für den Frieden blüht.

In meiner Familie spielten Musik und Malerei eine große Rolle. Aber keiner hat diese Kunst so wirklich zu seinem Beruf gemacht, außer mein Großvater und nun mein Sohn. Im Gegensatz zu meinen Eltern und meinem Bruder, die mehrere Musikinstrumente beherrschten, spielte ich die Klarinette, d.h. ich habe sie ziemlich malträtiert, obwohl dieses Instrument mich verzauberte. Ich sang auch sehr gern und zeichnete, aber das eher halbherzig.

Das Schreiben habe ich jedoch seit frühester Kindheit geliebt, Kurzgeschichten und Gedichte schrieb ich bei jeder Gelegenheit, denn es verschaffte mir die Möglichkeit, mit Worten zu spielen und meine Gefühle zu Papier zu bringen. Als ich 14 Jahre alt war, schrieb ich ein Theaterstück für meine Klasse – Die Schule gestern, heute, morgen. Doch dauerte es noch Jahrzehnte, bis ich mit meinen Texten an die Öffentlichkeit trat. Was mich als Erstes dazu trieb, waren Menschenrechtsverletzungen, die ich mitunter selbst aufgrund meiner Herkunft zu spüren bekam. Erst beteiligte ich mich an Anthologien, was ich bald danach unbefriedigend fand und so entschloss ich mich, nur noch eigene Werke zu veröffentlichen. Ich schrieb die Geschichte „Der Drachentöter“ (aus: Naziri, Vor unserer Tür) für meine Freundin Esther Bejarano und „Herbstgeflüster“ (gleichnamiges Buch mit Peter Reuter).

Zum anderen bewogen mich die Ereignisse in meinem Leben, Randnotizen zu machen. Das betraf besonders meine alte Heimat. Wenn ich dorthin reiste, schickte ich per Mail Berichte an meine Freunde, die mich ständig baten, doch endlich mal ein Buch darüber zu schreiben. Und so entstand mein Buch „Grüner Himmel über schwarzen Tulpen“ (2011), eine schmerzliche Liebeserklärung an Iran und damit eine Brücke zwischen Orient und Okzident für meine Leserschaft.

Danach konnte ich die Finger nicht mehr vom Schreiben lassen. Es folgten viele Lesungen und ein wunderbarer Austausch mit dem Publikum, was mir tiefe Freude bereitete und immer noch bereitet.

 

Bookspot: Was inspiriert Sie generell und was war die Inspiration zu Ihrem (letzten) Werk?

Barbara Naziri: Inspiration bedeutet für mich gelebtes Leben, nämlich wozu ich wirklich Lust habe, was ich wirklich will und vor allem wofür ich auch bestimmt bin: Ich möchte mit meinen Büchern Menschen zum Nachdenken bringen, sie versöhnen, berühren, aufheitern, zum Lachen bringen und Glücksmomente schenken, vor allem dem Stiefkind unserer Zeit, der Menschenliebe Raum geben.

Was hat mich zu meinem letzten Werk „Scheherazades Kinder“ inspiriert? Vor allem die desolate Situation in Iran, unter der die Menschen dort sichtbar leiden. Das militante Mullah-Regime verletzt Tag für Tag die Menschenrechte. Tausende wurden inhaftiert oder konnten langen Gefängnisstrafen nur durch Flucht ins Exil entgehen. Wer in Iran seine freie Meinung äußern will, lebt gefährlich. Es kommt zu Verhaftungen, Folterungen, bis zur Hinrichtung für die kleinsten Vergehen, weil der Staat sich selbst als Gottesstaat bezeichnet und wer gegen seine Gesetze verstößt, begeht „Verbrechen gegen Gott“. Frauen haben besonders unter der Mullahkratie zu leiden, unterliegen der gesetzlichen Kleiderordnung, haben nur eine halbe Stimme vor Gericht und auch ansonsten sind sie gegenüber der Männerwelt Irans im Nachteil. Nach außen dringt so gut wie nichts, weil auch westliche Journalisten, die über die dortige Situation objektiv Bericht erstatten könnten, kaum Einsicht erhalten.

Darum habe ich mir gedacht, den Menschen dort eine Stimme zu verleihen, indem ich auf Einzelschicksale aufmerksam mache, fiktive und erlebte, welche die Leserschaft berühren, zum Weinen und zum Lachen bringen. Denn Iran ist auch ein Teil von mir und trotz aller Leiden gibt es dort auch Hoffnung, Mut und Menschlichkeit unter der Bevölkerung dieses schönen und geschichtsträchtigen Landes. Wer als westlicher Tourist einmal dort war, ist überwältigt von der Gastfreundschaft der Iraner und der Schönheit ihres Landes.

Warum nun ausgerechnet Scheherazade, die Märchenerzählerin? Scheherazade verkörpert für mich die iranische Frau an sich: Unerschrocken, beständig und leidensfähig, jedoch auch humorvoll und verträumt. Scheherazade rettete in den Märchen von „Tausendundeine Nacht“ ihr Leben, indem sie dem König Schahryar Geschichten erzählte, die so spannend waren, dass er sie entgegen seinem Schwur nicht tötete, sondern ihre Klugheit wertschätzte wie auch ihre Treue. Die Kinder der Scheherazade sind wir heutigen iranischen Frauen und Männer mit all diesen Eigenschaften, die selbst in brenzligen Situationen versuchen, das Beste aus der Lage zu machen.

 

Bookspot: Haben Sie eine Schreibtradition? (Bsp.: Trinken Sie immer einen Kaffee bevor, Sie schreiben?, Läuft immer eine bestimmte Musik im Hintergrund?, …)

Barbara Naziri: Nein, was ich zum Schreiben benötige, ist die Stille. Ich brauche keine Geräuschkulisse. Meine Gedanken sind dann wie die Vögel. Ich lasse sie frei kreisen und klinge innerlich selber. Darum brauche ich auch keine Musik. Allerdings vergesse ich dabei meine Umgebung und vor allem das Trinken. Erst wenn mein Mund ausgetrocknet ist und meine Sprechblasen zu Staubflocken werden, erwache ich aus meiner Erzählwelt.

 

Bookspot: Was hilft Ihnen in Ihrem Schreibprozess? (Nutzen Sie bestimmte Programme zur Plotplanung?, Was machen Sie, wenn Sie eine Schreibblockade haben, …)

Barbara Naziri: Das ist ganz unterschiedlich. Mitunter schreibe ich einfach drauflos. Der Gedanke wird zur Handlung, die Handlung zur Geschichte. Da gibt es kein Halten und ich fließe wie ein reißender Strom. Es gibt aber auch Augenblicke, in denen ich mir Zeit gebe und die Spannung wachsen lasse, weil ich selten Geschichten schreibe, deren Ende ich schon vorher weiß. Das gilt besonders für meine Märchen.

Anders ist es natürlich bei authentischen Geschichten. Da mache ich mir ein Gerüst aus Stichworten, die ich aber später nicht unbedingt alle verwerte.

Wenn ich eine Schreibblockade habe – wer hatte die noch nicht? – bleibe ich gelassen. Ich bin kein Automat und ich liebe gerade das Menschliche an mir. Dann koche ich mir einen Kaffee, genieße Süßes und träume in den Tag hinein.

 

Bookspot: Mit welcher literarischen Figur identifizieren Sie sich am meisten?

Barbara Naziri: Eben mit Scheherazade, allerdings in diesem Jahrhundert, und ich hoffe von Herzen, dass mir die Geschichten nicht ausgehen.

 

Bookspot: Lesen Sie gern in dem Genre, in dem Sie schreiben?

Barbara Naziri: Ich lese viele Dokumentationen und Berichte über Menschenrechtsverletzungen, um mich auf dem Laufenden zu halten, denn ich bin nicht nur Schriftstellerin, sondern auch Menschenrechtsaktivistin. Wenn ich mich entspannen möchte, lese ich historische oder mystische Romane.

 

Bookspot: Welche*n Schriftsteller*in bewundern Sie und warum?

Barbara Naziri: Noah Gordon und Fjodor Dostojewski.

Bei Gordon mag ich sehr den Schreibstil und wie er die Welt betrachtet. Er verbindet Fakten mit fiktiven Geschichten. In dieser Hinsicht fühle ich mich ihm sehr verbunden.

Dostojewski habe ich schon als Zwölfjährige verschlungen. Das erste Buch, das ich von ihm las, war nicht etwa „Die Brüder Karamasov, sondern Schuld und Sühne (Raskolnikov). Mich fasziniert die düstere Melancholie in seinen Handlungen und wie er die menschliche Seele mit all ihren Zwängen, Regungen und Freiheitsbestrebungen literarisch verarbeitete.

 

Bookspot: Wo wollten Sie schon immer mal hin? (egal ob fiktiv oder real)

Barbara Naziri: An einen liebevollen Ort, wo Frieden herrscht, wo Menschen einander akzeptieren, wie sie sind und nach Gemeinsamkeiten suchen, statt nach Dingen zu trachten, die sie trennen. Ich wünschte mir, einmal noch Iran zu sehen, die alte Heimat zu schmecken, ihre Schönheit zu schauen, die Gerüche nach Zimt und Koriander, den Wüstenwind zu spüren und die Herzlichkeit der Menschen, die trotz aller Schmerzen ihr Leben tapfer meistern.

 

Infos:

  • Autor: Barbara Naziri
  • Titel: Aramesh – Sternenlicht und Katzengold
  • P&L Edition, ein Imprint des Bookspot Verlags
  • ISBN: 978-3-95669-145-4
  • Klappenbroschur mit Lesezeichen, 256 Seiten
  • Preis: 14,80 € (Print), 7,99 € (E-Book)